Ihr betretet ein reichlich verziertes Turmzimmer. „Willkommen in meinem Reich!“ lächelt sie mit einer vagen Verbeugung.
Die Dekorationen in diesem Zimmer unterscheiden sich deutlich von denen, die du bisher im Palast entdeckt hast. Insgesamt glaubst du nicht, jemals so ein vor Schmuck und Schnörkeln überbordendes Zimmer gesehen zu haben. Es erschlägt dich förmlich, auch wenn alles aus der selben watteartigen Substanz besteht wie der Rest des Palastes. An der Decke, am Betthimmel, an den Fenstersimsen winden sich Bordüren, florale Muster, und Ornamente. Zwei pausbäckiges Babies mit Flügeln halten ein Laken, welches oberhalb der Fenster gespannt ist. Die Beine des Schreibtisches sind verdrehte Säulen mit schnörkeligen Kapitälchen und von der Tischmitte grinst dich erneut ein dickes Baby an… Larissia bietet dir einen Sessel mit Rosenmuster an. „Habe ich es nicht wunderschön hier? Das ist alles mein Werk! Dsche, es ist so wunderbar. Ich weiß nicht ob du verstehen kannst, was ich hier gefunden habe! Es ist – meine Heimat! Das Stück von mir, was ich immer vermisst habe.“ Du hebst an, etwas zu erwidern aber sie spricht schon weiter: „Ich weiß, du bist hier, um mich zu bitten, mit dir zu gehen. Du willst mich nach Hause begleiten. Aber du musst verstehen, warum ich hierbleiben will. Es fällt mir schwer, es dir zu erklären, kann ich es doch selber kaum zu begreifen. Und ich kann verstehen warum du misstrauisch bist – er ist so – unberechenbar… Für ihn scheint alles ein Spiel zu sein, nicht wahr? Aber du musst wissen, er hat auch eine andere Seite, die viel tiefer geht. Also meine Mutter, auf ihren Reisen… und er… sie sind sich begegnet. Und mehr noch als das. Ich begreife selbst nicht ganz, wie es möglich ist – aber – bitte erklär mich nicht für verrückt – aber ich weiß, dass es wahr ist: er ist… mein Vater!“
Ich schaue Larissia ungläubig und mit dümmlich geöffnetem Mund an. “Aber …”
Ich bin gänzlich verwirrt. Ihre kränkliche Erscheinung straft ihre Aussage Lügen und doch bin ich mir gerade überhaupt nicht mehr sicher, was nun Lüge und was Wahrheit ist. Hat ihr der Dschinn zur Gänze den Verstand geraubt und sie mit seinen Trugbildern getäuscht? Oder ist an dieser Geschichte wirklich etwas dran? Warum kann Larissia mein Flugbrett fliegen? War vielleicht der Sandsturm gar kein Zufall? Unwillkürlich fällt mein Blick auf ihr Handgelenk und ihre Tätowierung. Das Symbol der Lüfte.
Ich straffe mich etwas und versuche meine Verwirrung durch eine skeptische Kühle zu überspielen: “Nun, das ist wahrlich eine beinahe unglaubliche Geschichte und ein ziemliches Stück, dass du mir hier präsentierst. Verzeih, dass ich – vorsichtig formuliert – skeptisch bin. Aber nehmen wir nun einmal an, dass wahr ist, was du sagst: Hat dir dein ‘Vater’ auch erklärt, was dich nach Mherwed brachte?”
So bin ich denn erstmal gespannt, ob sie mir dazu weitere Hintergründe benennen kann.
Ich glaube nach und nach wird sich in meinem Kopf der Plan schmieden, sie schlicht zu bitten mich zumindest noch aus der Schlucht heraus zu begleiten. Sollte es sich bei dem Dschinn wirklich um ihren Vater (oder was auch immer handeln) sollte dies ja kein Problem sein und sie kann dann wieder zurückkehren. Jedenfalls möchte ich sie gern aus dem unmittelbaren Bannkreis des Dschinnes ziehen. Innerlich bin ich nach wie vor auf eine Konfrontation vorbereitet.
Als dein Blick auf Larissias Arm fällt, bemerkst du, dass das Zeichen sich verändert hat. Die Form ist die Selbe, aber die Farbe ist jetzt himmelblau irisierend und die Struktur wirkt fast ein wenig flauschig, wie das Wolkenschloss.
Larissia antwortet: „Ich verstehe deine Skepsis sehr wohl. Wenn ich nicht so tief in mir spüren würde, dass es wahr ist, würde ich es wohl selbst nicht glauben… Zu deiner Frage meine Entführung betreffend: Ich habe mir da ein bisschen etwas zusammengereimt. Mein Vater spricht zu mir selten in Worten, sie sind so – schwer, unbehende und flach. Er liebt Bilder und Gefühle. Auf diese Weise lässt sich vieles einfacher mitteilen – aber einiges bleibt eben auch unklar. Von allem was ich weiß scheint es da um einen alten Streit zu gehen, zwischen ihm und dem Mann der mich entführen ließ. Früher haben die beiden freundschaftlich zusammengearbeitet aber etwas ist zwischen sie getreten. Mein Vater hasst und fürchtet diesen Mann, und ich glaube er ist der Grund warum er sich hier in die Oase zurückgezogen hat, und die Menschenwelt nicht mehr bereist. Was dieser Mann von mir will, weiß ich nicht, aber sicher nichts Gutes. Hier kann er nicht hinein. Hier bin ich vor ihm sicher! Und deswegen hat Vater mich ja hierher gerufen. Ich habe seinen Ruf gehört. Damals in der Wüste. Nur verstand ich ihn zunächst nicht. Aber jetzt habe ich so viel gelernt! Schau doch nur!“
Die letzen Sätze hat Larissia mit immer schneller werdender Stimme gesprochen, und nun greift sie euphorisch nach deiner Hand. Sie zieht dich mit sich, fast mit der selben Kraft wie vorhin Sturm, und ihr gleitet durch die Decke des Zimmers, des nächsten Zimmer und schließlich das Dach des Turmes. Behende zieht dich Larissia mit sich als sie einige Spiralen und Wirbel fliegt, das Schloss umrundet und schließlich über ihrem Türmchen anhält. Sie lacht, und ihr Haar flattert im Wind – fast wie du sie vor einigen Tagen in Madas Spiegel gesehen hast. „Oh, Dscheridan! Es ist so wundervoll. Fliegen ist so herrlich! Und hier ist es so schön!“
Fast wie auf Kommando berührt in diesem Moment das Praiosrund den Horizont und taucht den Himmel in ein strahlendes Rot-Gold.
Larissia klatscht begeistert in die Hände, zupft dann ein Stück Wolke vom Dach des Türmchens ab, knetet es zwischen den Händen, hält es sich vor den Mund und pustet kräftig. Die Wolkenfetzen stieben blitzartig davon und verteilen sich als kleine Schäfchenwolken am fernen Himmel, wo sie durch das Licht rosarot verfärbt werden. Ungetrübte Freude strahlt dich aus ihren Augen an, als sich Larissia dir erwartungsvoll zuwendet. Dir ist jedoch nicht entgangen, dass sich die Schatten unter ihren Augen gerade noch etwas zu vertieften scheinen.
„Willst du noch mehr sehen? Soll ich dir nicht die Oase zeigen?“
In deinem Kopf hat sich inzwischen trotz aller Verwunderung ein Plan gefestigt. Bemüht, dein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, entgegnest du: „Du hast recht, es ist wunderbar hier – und ich teile durchaus mit dir die Liebe zum Fliegen, jedoch hätte ich jetzt gerne erstmal wieder festen Boden unter den Füßen. Außerdem gibt es jemanden, der auf mich wartet – ich würde meine Reise gerne alsbald fortsetzen. Ich kann verstehen, dass du hier bleiben möchtest um mehr über deine Herkunft und deine wunderbare Gabe herauszufinden, aber würdest du mich vielleicht noch ein Stück aus der Oase heraus begleiten, nur bis ich sicher wieder aus der Schlucht heraus bin?“ Bittend schaust du Larissia an, die über deine ernste Antwort ganz erstaunt zu sein scheint. Unschuldig lächelt sie zurück: „Aber natürlich, das gebietet doch wohl schon alleine die Höflichkeit, einen Gast sicher wieder auf den Heimweg zu weisen, wenn die Dämmerung heranbricht…“ Sie zieht dich wieder ein Stück mit sich, zurück in den Thronsaal. „Lass uns noch eben meinem Vater bescheid geben, und dann können wir los,“ spricht sie und greift nach der goldenen Glocke. „Es ist wirklich zu schade, dass du schon weiter musst, es gibt so viele zauberhafte Dinge hier zu sehen!“
Und dann läutet sie die Glocke – oder möchtest du sie davon abhalten/hast du vorher noch Ergänzungen?
Ich ärgere mich als ich sie einen Hauch zu hektisch an der Schulter fasse und mit einem “Lass” davon abhalte die Glocke zu läuten.
Ich lasse sofort wieder von ihr ab und lächle sie milde, entschuldigend und mit dem unschuldigsten Blick an der mir möglich ist: “Lass gut sein meine Liebe. Dein Vater ist Herr dieses kleinen Reiches und er wird sicher spüren dass du mich hinaus bringst. Es wäre unhöflich ihn erneut zu behelligen und zu stören. Zumal unser Abschied sicher schwer wird und nach der langen Zeit diese Moment uns gehören sollte. Findest du nicht?”
Ich bin wild entschlossen. Irgendwie hat Larissias trunkene Begeisterung einen Schleier gehoben. Der Dschinn gaukelt ihr etwas vor und saugt sie aus. Dessen bin ich mir nun sicher. Während ich mit meiner kurzen Rede die Fassade wieder aufzubauen versuche, versuche ich außerdem ein sehr deutliches Bild in meinem Kopf zu formen: Ich will sie nur verabschieden. Ich will sie nur verabschieden.
Wollen wir doch Mal sehen wer hier in wessen Gedanken eindringt und wer wen manipuliert.
Sollte das alles nun so funktionieren werde ich dann aber möglicherweise nochmal stutzig. Wenn Larissia selbst auch beinahe schon flauschig wirkt, vielleicht spielt der Dschinn abermals ein Spiel mit mir und so setze ich noch hinterher, kurz nachdem wir aufgebrochen sind: “Larissia, nun besitzt ja nun dein Vater einen recht sonnigen Humor und scheint recht gern zu spielen. Mir ist aufgefallen, dass ich auf meine Rätselfrage eigentlich noch gar keine rechte Antwort bekommen habe. So lass uns denn hier noch schnell das Spiel zuende spielen und verrate mir: Wie heißt eigentlich meine Großmutter?”
[Vielleicht habe ich mich unglücklich ausgedrückt – nicht Larissia selbst wirkt „flauschig“, vielmehr der Umriss des Luft-Symbols auf ihrem Unterarm ist nicht mehr als feste Konturlinie auszumachen – als würde die Füllung über den Rand strahlen.]
Larissia erschrickt ob deiner hektischen Berührung, lässt sich aber von dir bewegen, die Glocke zurück auf den Tisch zu stellen. „Du hast Recht, er kann recht launisch sein, wenn man ihn hiermit ruft… Ich glaube er muss dann kommen, egal woran er gerade ist!“ Sie kichert und du nimmst sie sanft am Arm und geleitest sie nach draußen. Dabei redest du ruhig auf sie ein und bekräftigst sie darin, dass sie ja schnell wieder zurück sein wird und sie einem so mächtigem Herrscher wie ihrem Vater bestimmt nicht über jeden einzelnen Schritt den sie macht einzeln Rechenschaft ablegen muss. Als ihr schon halbwegs am Steinbogen angekommen seid, kommen dir jedoch doch noch einmal Zweifel: “Larissia, nun besitzt ja nun dein Vater einen recht sonnigen Humor und scheint recht gern zu spielen. Mir ist aufgefallen, dass ich auf meine Rätselfrage eigentlich noch gar keine rechte Antwort bekommen habe. So lass uns denn hier noch schnell das Spiel zuende spielen und verrate mir: Wie heißt eigentlich meine Großmutter?” fragst du sie.
Darauf sieht sie dich verärgert an: „Ich weiß nicht, welches Spiel er mit dir Spielen sollte, mir gegenüber ist war er immer liebevoll und fürsorglich. Ich spüre ein Misstrauen in dir, welches ich nicht teile. Ich weiß nicht, warum du dies von mir wissen willst, aber lass mich dir etwas zeigen!“ Sie stellt sich an das Ufer des Sees und macht eine beschwichtigende Geste. Das Blubbern des Wassers hört auf, und auf der spiegelglatten Oberfläche erscheinen Bilder: Der Empfangssaal in eurem Anwesen in Mherwed. Du siehst dich selbst, wie du gerade aus deinen Kissen aufspringst und einige Befehle brüllst, kurz darauf stürmt wütend deine Großmutter herein und überschüttet dich scheinbar mit einem Schwall an Worten – tatsächlich hören, kannst du jedoch nichts. Der Fokus des Bildes wechselt zwischen dir und Yasmabith hin und her. Als schließlich, nachdem dein Abbild sich an den scheinbaren Beobachter gewendet hat, einen in Tuch eingeschlagenes Diadem, an „dich“ weitergerreicht wird, erkennst du, dass es sich hier um deine Auseinandersetzung mit deiner Großmutter kurz vor eurer Flucht handelt, und zwar aus Larissias Perspektive gesehen. Deine Kleidung, einzelne Details der Einrichtung stimmen mit deiner Erinnerung an den Tag überein. Fasziniert beobachtest du dich selbst aus dieser ungewohnten Perspektive. Einen Augenblick freust du dich darüber, wie hübsch du bist. Aber auch Yasmabith – was für eine Respektsperson, musst du unweigerlich denken. Du folgst dem stummen Austausch eine Weile und als dein Konterfei deine Großmutter schließlich mit erschütterter Miene fest umarmst, verblasst das Bild wieder und Larissia sagt: „Das ist das einzige Mal, dass ich deiner Großmutter begegnet bin. Ich sprach jedoch eure Sprache noch nicht, und war nur allzu dankbar, dass wenigstens du die meine beherrschtest…“ nachdenklich bricht sie ab und mustert dein Gesicht. In dir ist gerade eine seltsame Gefühlssuppe hochgekocht. Den Anfang eures Abenteuers so bildlich vor sich zu sehen hat in dir Heimweh erweckt und dir all die Entbehrungen der Reise wieder schmerzlich vor Augen geführt. Wärst du doch wieder Dscheridan der Bey, der Befehle erteilt und sich bedienen lässt. Du hast genug davon „einfach nur Dsche“ der Wüstenwanderer zu sein. Andererseits, war derjenige, den du da gerade im See gesehen hast nicht auch ein furchtbarer Grünschnabel, der sich aus Angst vor dem Bevorstehenden an die Brust seiner Großmutter wirft? Ist das derselbe Mann, der einen Sandsturm überlebt hat und mit einem Gepard gerauft hat? Nachdenklich betrachtest du dein jetziges Spiegelbild im Wasser. Tatsächlich: Du siehst reifer aus. Und das liegt nicht nur an der sonnengebräunten Haut, dem unrasierten Kinn und den drahtigeren Muskeln. Du erkennst eine innere Stärke. Und die Erkenntnis, dass du nicht zurück, nur vorwärts gehen kannst durchzuckt dich mit unmittelbarer Klarheit. Du wirst diesem Dschinn die Stirn bieten wenn nötig, und auch diesem Dunchaban in Rashdul, was auch immer seine Rolle sein möge. Und du wirst alles daran setzen, dass man dir alsbald wieder mit dem nötigen Respekt begegnet. Du spürst die Kraft Satuarias und aller deiner Vorfahrinnen in dir aufsteigen. Für einen Augenblick scheint es dir als würde deine Spiegelbild im Wasser überlagert von dem einer sprungbereiten Raubkatze mit bleckenden Zähnen, gleichzeitig umflattert Larissia ein kunterbunter Schmetterling. Dann siehst du wieder nur eure Umrisse gegen den schnell dunkler werdenden Abendhimmel. Und da fällt dir auf, dass du NUR eure Umrisse siehst. Eure Umrisse, das Spiegelbild des Steinbogens, den Himmel darüber. Der Wolkenpalast, der hinter euch aufragt, die Palmen am Ufer, das Gras, all das hat kein Spiegelbild.
Anscheinend hat Larissia dein Starren falsch gedeutet, denn sie weist noch einmal auf die Wasserfläche: „Das habe ich von meinem Vater gelernt. Habe ich das Spiel jetzt gewonnen? Möchtest du doch noch mehr sehen? Eben noch schienst du es so eilig zu haben aufzubrechen?“
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Ich wende meinen Blick von meinem Spiegelbild ab, richte mich bewusst sehr gerade auf und ziehe die Schultern zurück. Dann atme ich einmal tief durch: “Nein, ich habe genug gesehen. Ich danke dir für diesen … Einblick.”
Ich schaue sie noch einen augenblick unbewegt und mit unlesbarem Blick an, schaue dann versonnen an ihr vorbei in die Ferne.
“Komm jetzt. Führe mich hinaus und begleite mich noch ein Stück des Wegs bis ich das, was ich zurücklassen musste wieder aufgelesen habe.”
Ist das jener Steinbogen hoch oben in der Schlucht? Habe ich schon den Eindruck etwas wiederzuerkennen. Dann gehe ich gern souverän voran. Wenn nicht deute ich Larissia ebenso souverän die Führung zu übernehmen. Dann schaue ich mich vielleicht noch einmal sehnsuchtsvoll richtung See um, schüttele aber dann energisch den Kopf und richte meinen äußeren und auch den inneren Blick nach vorne. Zu allem entschlossen …
Ihr umrundet den See bis ihr vor der imposanten Steinformation am anderen Ufer steht. Dieser Steinbogen ist der Selbe, unter dem du auf deiner Reise hierher wieder zu dir gekommen bist. Der Selbe, den du mit Maruch oben am Rand der Schlucht stehen sehen hast. Der Selbe, der sich im Wasser spiegelt und auch der selbe nach dessen Abbild der Spiegel im Thronsaal gefertigt war. Er sieht hier genau so aus wie in der Schlucht, aber der Rest der Landschaft passt nicht.
Da wo ihr jetzt auf grünen Wiesen unter Palmen steht, sollte sich „drüben“ die Schlucht befinden – mit dem Bogen oben an ihrer Kante. Von euch aus gesehen hinter dem Bogen liegt hier der See – drüben hast du hier auf deinem Flug auf der Windsbraut nur eine trockene Hochebene gesehen (siehe Titelbild „Galopp“). Einzig und unverrückbar gleich steht das Felsentor und es erscheint dir nur zu naheliegend, dass es so etwas wie ein Tor in eine andere Welt sein möge. Aber auf der Hinreise seid ihr nicht durch das Tor, sondern den Schatten desselben geflogen. Und als du noch überlegst, wie ihr denn im Dunkeln den Schatten finden wollt, weist Larissia auf den See, und den gespiegelten Bogen darin: „Wir müssen springen! Willst du zuerst?“ „Gemeinsam,“ entscheidest du und ergreifst ihre Hand.
Ihr nehmt etwas Anlauf und springt kopfvoran durch den Torbogen. Die Wasseroberfläche zerbricht nicht, als ihr hineinspringst, sondern stülpt sich wie ein schwarzer Schleier um eure Körper. Sobald ihr komplett eingetaucht seid spürst du eine mächtige Kraft auf dich einwirken. War es beim Eintritt in die Welt des Dschinns so, als würdest du auseinandergezogen, ist es nun so als würde dein ganzer Körper auf einen winzigen Punkt zusammengequetscht werden. Immer enger wird dich Schicht die dich umgibt und langsam wird die Luft aus deinen Lungen gepresst und deine Ohren fangen an zu schmerzen. Ihr kämpft euch tiefer hinab in die Schwärze. Längst ist es nicht mehr die Kraft eures Sprungs, die euch voran treibt, vielmehr schwimmt ihr, bemüht die Hand des anderen nicht loszulassen, gegen einen elastischen Widerstand an. Du siehst nur noch Schwärze. Doch dort – ein Flackern. Entschlossen hälst du darauf zu. Der Druck auf deinen Kopf erhöht sich und du fragst dich, ob ihr ankommen werdet, bevor dein Kopf zerbirst. Längst hast du jeden Sinn für Richtung verloren. Da gibt es plötzlich einen Ruck an der Kette, die du um den Hals trägst. Etwas packt dich am Hals, tastet dann weiter nach deinem Arm und zieht dich daran nach vorne. Und nach einem weiteren kräftigen Ruck zerreißt der Vorhang, der dich umgab. Deine Füße berühren einen Boden und du stolperst vorwärts, wie von einer gewaltigen Last befreit. Jemand stützt dich. Als die Schwärze vor deinen Augen endlich weicht erkennst du Maruch, der dich zu sich heran gezogen hat. Begierig saugst du die kühle Luft ein. Es ist Nacht. Ihr steht oben, am Rande der Schlucht unter dem Felsbogen, in einer Feuerschale brennt ein flackerndes Feuer. Du bist noch nicht wieder richtig zu Atem gekommen, als deinen Körper wieder ein Ruck durchläuft. Diesmal zieht etwas am anderen Arm. Du hälst noch immer Larissias Hand umklammert. Als du fest daran ziehst erscheint zwischen den Felsen, scheinbar im Nichts endend, Larissias Arm. Gemeinsam mit Maruch ziehst du ein zweites Mal und die ganze Larissia stolpert ins Freie. Hinter ihr schließt sich die Dunkelheit zwischen den beiden Beinen des Tores mit einem leisen magischen Knistern – wabernd wie der wallende Schleier einer Sharizad. Larissia sieht noch blasser als vorher aus. Ihre Knie knicken ein und du musst sie stützen, da sie sich kaum aufrecht halten kann. Ihr führt sie zum Feuer, wo auch Maruchs Zelt steht. Mit brechender Stimme seufzt sie: „Excusiert die Herren… ich befinde mich so matt…“ und lässt sich in die Kissen sinken. Immerhin spricht sie wieder wie gewohnt. Larissia- Garethi. Sie lächelt dir zu, aber du bemerkst, dass sie die Augen kaum offen halten kann. „Larissia! Was ist mit dir? Bleib wach, wir müssen noch etwas besprechen!“ Du rüttelst sie sanft, aber bestimmt, doch ihr Augenlider flackern. „Dsche? Ich.. muss nur ein wenig ausruhen… ich weiß gar nicht… warum ich auf einmal so müde…“ ein Grummen ihres Magens unterbricht sie. Auch dir fällt gerade auf, dass du mächtig Hunger hast. Über dem Feuer köchelt ein Kessel mit Suppe und der Duft steigt dir verführerisch in die Nase. Maruch reicht dir ein Schälchen und du beginnst du zuerst Larissia schlückchenweise mit einem Löffel zu füttern, was sie dankbar geschehen lässt. Dann sinkt sie in Ihre Kissen zurück. Das Mal an ihrem Handgelenk schimmert nicht mehr. Ihre Gesichtsfarbe sieht besser aus. Aber nun wird sie endgültig vom Schlaf übermannt. Du willst sie erneut schütteln, aber Maruch legt dir eine Hand auf die Schulter: „Lass sie ruhen! Sie braucht Schlaf.“
Es sind die ersten Worte, die er seit eurer Rückkehr spricht. Du hattest vergessen, wie angenehm seine Stimme klingt. „Du hast es tatsächlich geschafft!“ Seine Worte sind voller Anerkennung, doch als du dich ihm jetzt zuwendest erkennst du, dass da noch etwas ist, was er nicht ausspricht. Ist er traurig? Neidisch? Besorgt? Mit einem leichten Kopfschütteln wischt er den beklommenen Moment beiseite: „Verzeih, wo sind meine Manieren! Du möchtest bestimmt auch etwas essen?“ Ihr macht es euch am Feuer gemütlich und Maruch spricht seinen Händewaschzauber. Während du isst berichtet Maruch, dass er am späten Nachmittag aus der Schlucht zurückgekehrt ist und das Zelt hierher verlegt hat um auf deine Rückkehr zu warten. „Ich hatte kaum das Nachtmahl bereitet, da wurde ich astraler Aktivitäten am Steinbogen gewahr. Es erschien ein schwarzer Wirbel, und wie erstaunt war ich, als ich dies hier in darin aufblitzen sah.“ Er deutet auf seine Kette, die du trägst. „Ich griff danach, und ich denke den Rest der Erzählung kennst du. Aber nun sag – wenn du nicht zu erschöpft bist – bin ich begierig zu hören, was du dort drinnen erlebt hast!“
Damit überlässt dir Maruch das Wort. Lässt du in deinen Erzählungen bewusst etwas aus? Wie weit möchtest du ausholen, was die Vorgeschichte angeht? Larissia schläft inzwischen einen ruhigen Schlaf mit tiefen regelmäßigen Atemzügen. Am Himmel geht ein fast volles Madamal auf.
Erst jetzt bemerke ich, wie erschöpft auch ich bin. Ich war doch angespannter, als ich es mir selbst hätte eingestehen wollen. So schlürfe ich denn begierig die Suppe und beginne dann zu erzählen:
“Es ist im Reich des Dschinnes so, wie es dem Herren eines Elementes gebührt. Alles ist luftig und wunderbar leicht. Verspielt, vielfarben, aber auch voller Trug und Sinnesspiel. So wie du es bei deiner Erzählung im Märchen berichtetest. Er nennt einen kleinen Hofstaat dienstbarer Geister sein eigen und wie ein König ließ er auf sich warten, ehe ich beschäftigt durch seine Dienerschaft mit ihm sprechen durfte. Er lud mich zu einem Spiel ein, in dem ich aus Illusionen meine Begleiterin Larissia hier erkennen sollte. Dies gelang mir wohl, doch war ich bis zu unserer Flucht bald nicht mehr sicher, was denn nun Wahrheit und was Trugbild sei. Auch Larissia – die echte meine ich – war sich nicht mehr im Klaren über Wahrheit und Lüge und wollte nur zu gerne beim Dschinn bleiben, so wie du es beschrieben hattest. Ich konnte sie davon überzeugen mich zum Torbogen und hinaus zu begleiten und dann umzukehren, wenn es denn ihr Wunsch sei. Ich dachte mir, es sei an der Zeit den Dschinn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Nun, und so sind wir nun wieder hier … dank deiner Hilfe! Denn ich glaube ich wäre in diesem magischen Tor ertrunken wenn du nicht nach mir gegriffen hättest.”
Ich mache eine Kunstpause und warte auf Maruchs Reaktion. Ich schaue ihn dabei sehr vielsagend an und ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass ich gerade am liebsten unbefangen in seinem Arm oder er in meinem Arm liegen solle … ich denke kurz zurück an meine Vision von eben. Die Mattheit hat meine wilde Entschlossenheit nun wieder ganz gut im Griff.
Auf Nachfragen steuere ich insbesondere zur Welt des Dschinns jedes Detail bei, für das sich Maruch interessiert. Mit welcher Lüge er Larissia in seiner Welt gefangen zu halten trachtete verrate ich hingegen nicht. Wie ich prüfen konnte, ob es sich bei Larissia um sie selbst handelte schildere ich ihm im groben auch, lasse jedoch auch da meine eigene Vision weg.
Maruch verfolgt deine Schilderungen mit großer Aufmerksamkeit, macht sogar einige Notizen und stellt Fragen hauptsächlich zu der Erscheinungsform von Gegenständen und Geistern. Auch zu dem von dir beschriebenen Phänomen der andersartigen Leichtigkeit hat er einige Fragen, allerdings kannst du seine Fragen nicht alle verstehen, beziehen sie sich teilweise auf seltsame Dinge wie „die astrale Matrix“ oder „elementare Manifestationen“ und ähnliche Fachbegriffe. Du antwortest so gut du kannst und erntest einige Schmunzler von Maruch, aber auch nicht weniger als du über seine gestelzten Ausdrücke und die Erklärungsversuche derselben Grinsen musst.
Als du mit deinen Schilderungen am Ende angelangt bist nutzt Maruch deine Kunstpause um deinen vielsagenden Blick zu erwidern: „Ich bin wirklich froh, dich noch einmal zu sehen!” sagt er mit feierlichem Ernst. Wieder entdeckst du diese seltsame Sorge in seinem Blick. Dann fährt er fort: „Von all den Wundern und Mysterien die diese Schlucht für mich bereit hielt, bist du sicher mit Abstand das faszinierendste! Du sprichst von arkanen Phänomenen als wären sie Alltag für dich, ja du wendest sogar Magie auf deinen Körper an um eine Geschicklichkeitsprüfung zu meistern und doch hast du offensichtlich keine klassische Ausbildung genossen und hast nicht einmal ein Verständnis von den basalsten Grundbegriffen der lingua arcana. Trotzdem gelingt es dir eine astrale Pforte zu durchschreiten, die mir trotz allen Bemühungen, selbst jetzt, wo ich weiß wo sie zu finden ist, verschlossen bleibt. Darauf kann ich mir keinen Reim machen. Sage mir also, einfacher Dsche: Wer bist du wirklich?“
Während er spricht, hat Maruch sich näher zu dir vorgebeugt. Tief schaut er dir in die Augen und hält deinem Blick forschend stand. Als du dir endlich die richtigen Worte zurechtgelegt hast, um zu antworten, legt er dir jedoch unvermittelt einen Finger auf die Lippen: „Nein! Sag es noch nicht, denn ich glaube bereits zu wissen, dass die Antwort Schwierigkeiten birgt… Für diesen Moment noch soll es genügen, dass du der schöne Junge bist, den ich aus einem magischen Portal befreit habe. Der Gefährte, der mich durch die gefährliche Schlucht leitete. Mein Tanzpartner in diesem Rahjango unter dem Firmament der lachenden Götter…“ seine sanfte Stimme verstummt. Als er zögernd den Finger wieder von deinen Lippen löst, greifst du nach seiner Hand und hälst sie fest. Sanft, ganz winzig, hauchst du einen Kuss auf seinen Finger, dann lässt du eure Hände langsam sinken. Maruchs Augen füllen sich mit Tränen. “Vergib mir!” flüstert er. Dann zieht er wiederum deine Hand zu sich und erwidert die Geste etwas großzügiger. Sein Atem prickelt auf deiner Hand, wo seine Lippen sie befeuchtet haben. Er lässt deine Hand sinken und sieht dir noch einmal in die Augen. Die Trauer in seinem Blick lähmt dich regelrecht.
Dann strafft er seine Schultern: “Nun sag mir, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege: Du bist Bey Dscheridan ben Yussuf, (voller offizieller Titel), den mein Magister den Mhanadi auf- und abwärts suchen lässt!” Ein Zusammenzucken deinerseits bestätigt ihn darin fortzufahren: “Aus welchen Gründen auch immer du seine Pläne gekreuzt haben magst, sei dir gewiss, Dunchaban ibn Feruzef ist ein Mann der keine Fehler toleriert und selten etwas verzeiht. Und hätte er mich nicht hier nach der Schlucht entsandt, wäre ich gewiss wie all seine anderen Eleven Teil der magischen Suchtrupps die überall nach dir und deiner Freundin Ausschau halten. – Ist es nicht ein grausamer Scherz der Götter, dass ihr nun genau hier auftaucht? Ich habe den ganzen Nachmittag gegrübelt, was ich tue, solltest du erfolgreich zurückkehren. Es blieb ja noch ein Restzweifel, ob du erfolgreich bist. Wärst du allein zurückgekehrt, hätte ich dem Meister unsere Begegnung verschweigen können. Aber nun bringst du mir, was mein Lehrer und Gönner mehr als alles auf der Welt sucht. Die Frau, die Laufen zu lassen das Ende meiner magischen Laufbahn bedeutet.” Er sieht dich mit feucht schimmernden Augen an. Ganz entgegen deiner zunehmenden Aufregung spürst du mehr und mehr eine bleierne Schwere in dir aufsteigen und nun entfährt dir ein tiefes Gähnen. Maruch lächelt schwach. Sachlich fährt er fort: “Was du gerade verspürst, ist die Wirkung einer exakt dosierten Mischung aus Schwarzmohnsaft und diversen Kräutern in der Suppe. Sie wird dafür sorgen, dass du bald tief und traumlos schlafen, und erst erwachen wirst, wenn ich genug Vorsprung habe.” Wütend springst du auf: “Was hast du vor?” bringst du noch heraus bevor dir schwindelig wird. Maruch stützt dich und setzt dich sanft wieder auf einem Kissen ab. “Bleib ruhig! Je mehr du dich aufregst, desto schneller verteilt sich der Saft in deinem Körper. Hab keine Angst. Dir wird nichts geschehen. Im Gegenteil! Ich möchte dass diese Geschichte gut für dich endet. Deswegen werde ich Magister Dunchaban überzeugen, dass von dir keine Gefahr ausgeht, und deine Verstrickung in diese Geschichte ein pures Missverständnis war. Ich bringe ihm die gesuchte Dame, und du wirst frei sein, wieder in deine Heimat zurückzukehren. Glaub mir, er würde dich vernichten, wenn du ihm selbst unter die Augen trittst, aber ich bin ihm zu wichtig. Ich kann mit ihm reden und ich werde diese Sache aus der Welt schaffen.” Zornig schubst du seine stützende Hand weg, eine Geste die dir allerdings nur im Schneckentempo gelingt. Die Ohnmacht deiner Lage versetzt dich in Rage. Du willst ihm so viel erwidern und noch so viel fragen, aber die bleierne Schwere legt sich inzwischen auch auf deine Zunge. “Larissia?” Bringst du noch hervor. Maruch lacht auf. “Du sorgst dich um sie? Wenn ihr jemand helfen kann dann Magister Dunchaban.” Die letzten Worte hörst du nur noch wie durch Watte. Dir bleibt noch Zeit für einzelne letzte Worte [*im Kommentar*], dann steigt ein warmer Nebel in deinem Kopf auf. Die Wut und Verzweiflung brauchst du nicht mehr. Du lässt sie los, wie alle anderen Sorgen und Fragen, die du eben noch hattest. Du legst deinen Kopf auf seinen Schoß und Maruch streichelt dir sanft über die Stirn. “Schlaf gut, Dscheridan. Wenn du aufwachst, ist alles wieder gut!” flüstert er in dein Ohr. “Wie schön!” denkst du, und driftest endgültig weg.
Als du erwachst hat das Praiosrund schon einen großen Teil seines Wegs über den Himmel zurückgelegt. Dein Kopf ist klar und du fühlst dich bestens ausgeruht. [du darfst 2x die normalen Regenerationswürfe ausführen] Du liegst im Schatten, unter Maruchs Zeltplane. Neben dir liegen ein prall gefüllter Wasserschlauch, dein komplettes Reisegepäck samt Flugbrett und einige zusätzliche Vorräte. Maruch, sein Teppich, seine Kiste, Larissia und das Diadem sind verschwunden. Schlagartig ist die Erinnerung wieder da und du rennst aus dem Zelt und blickst dich suchend um. Soweit das Auge reicht keine Spur von den Beiden. Der Felsbogen wölbt sich am Rand der Schlucht wie ein Mund der dich Verspottet. Verzweifelt brüllst du noch einmal Larissias Namen, im Bewusstsein, dass dies völlig sinnlos ist. Dann sammelst du dich und wägst deine Optionen ab…
Mir entfährt ein tonloses “Ich habe dir vertraut”, von dem man nicht sagen kann ob es zornig, enttäuscht, traurig oder vorwurfsvoll intoniert sein sollte, ehe der warme Nebel in meinen Kopf steigt.
…
“Larissia! Larissia!! Larissia!!!” schreie ich bald mehr als das ich rufe und lasse meinen Blick über den Horizont gleiten, wohl wissend, dass ich dort wohl nichts sehen werde. Dann trete ich aus tiefster Frustration in die Luft knapp über dem Boden, so dass eine staubige Wolke träge aufwallt. Ich schreie, schnaube, tobe und beginne zu heulen, stampfe wütend auf, fuchtel wie ein Irrer in der Luft herum und lasse so meinen Gefühlen unkontrolliert ihren Lauf.
Nach einer Weile stehe ich dann schnaufend da, stütze mich auf meinen Oberschenkeln ab und mein Gejammer verwandelt sich in Lachen. Zwar mischt sich noch einen Augenblick Hysterie in dieses Lachen, doch dann komme ich langsam zur Besinnung und muss ob der absurden Situation tatsächlich und ehrlich über mich selbst lachen.
Gut hast du das gemacht, du verzogener Sohn eines nordischen Beys. Besonders schlau bist du dir vorgekommen mit einem koketten Augenaufschlag und ein wenig rahjanischer Galanterie den Schüler deines Feindes um den kleinen Finger zu wickeln um ihn für deine Zwecke zu instrumentalisieren. Du solltest dich schämen, dich Sohn Satuarias zu nennen. Wer hat hier wen manipuliert und für seine Zweck missbraucht?
“Touché, Maruch, Schüler des Dunchaban!” spreche ich nun wieder laut und blicke dabei Richtung Süden. “Doch wisse, dieser unser Rahjanga hat sich noch nicht ausgetanzt. Seine Takte sind noch nicht verklungen. Diese Runde geht an dich, doch wir werden uns bald wieder begegnen.”
Dann fällt mir plötzlich mein letztes Gespräch mit Larissia am See des Dschinns wieder ein und etwas verändert sich. Ein wildes Prickeln überzieht einem Schauer gleich meinen Rücken. Nicht das prickeln der Magie, sondern das Gefühl wilder Entschlossenheit. Und der Gepard kommt mir in den Sinn.
Ich werde Larissia finden. Ich werde sie befreien. Und ich werde Maruch seine Lüge und meine Schmach bezahlen lassen.
Ich balle die Hände zu Fäusten und habe das Bedürfnis meinen Beschluss zu bekräftigen: Ich entledige mich meiner Gewandung, falte sie ordentlich und lege sie unter die Zeltplane. Auch meine Stiefel stelle ich dazu. So stelle ich mich, die Erde direkt unter den Füßen spürend, in die Sonne und sinke langsam auf die Knie: “Herrin und Mutter Satuaria, erste der Hexen und eigeborene Tochter der Urmutter Sumu: Ich war unwürdig als einer deiner seltenen Söhne die Kraft in deinem Sinne zu nutzen und zu formen. So hast du mir eine Lektion erteilt und reumütig knie ich vor dir im Staub. Dem Erbe Chalibahs, eine deiner geküssten Töchter, bin ich als Dscheridan ben Yussuf nicht würdig. Als Dsche Wüstenwanderer schmähte mich mein Feind und als dieser taufe mich in deinem Namen neu um diesen Frevel zu sühnen. Erst meine kalte Rache soll die Schmach von meinem Körper und meiner Seele waschen.”
Zwar kann ich das auflodern meiner Abneigung gegen all den Schmutz nicht verhindern, aber ich bin entschlossen genug den “Palastkater” in mir niederzuringen und greife mir zwei volle Hände von Sumus Leib. Ich recke den Staub dem Himmel entgegen und lasse ihn dann auf mich hinabrieseln.
“In deinem heiligen Namen weihe ich diese Queste, oh Satuaria. Dsche Alhiam alsahra‘ (gesprochen Dsche Al-Hiam Usachra – Dsche Wüstenwanderer) wird Domna Larissia di Bocha vor Dunchaban ibn Feruzef erretten und auf ihrer Reise begleiten und beschützen bis das Geheimnis ihrer Herkunft gelüftet, ihre Entführung gerächt und die Ehre des Dscheridan bey Yussuf sal Jasmabith wiederhergestellt sei. Maruch, Schüler des Dunchaban, Studiosus primus der Al’Pandjashtra und Vergewaltiger der sechs und einem Element sei sechs und einmal verflucht in deinem Namen, oh Mutter. Als dein Rächer und deine Wut will ich die Reise antreten. So wie es deinem Sohne geziemt und du uns lehrst will ich die Kraft der Erdenmutter in deinem Sinne lenken und den Töchtern und Söhnen Satuarias Ehre machen. So sei es.”
Ich senke meinen Kopf und verharre so lange in meiner demütigen Haltung bis der Staub sich zur Gänze gelegt hat als Zeichen meiner Erlaubnis aufzustehen. Dann erhebe ich mich mit einem neuen Gefühl der Stärke, lege meine Kleidung wieder an, packe meinen Besitz in den Rucksack, rolle die Zeltplane auf, befestige sie an meinem Rucksack und schwinge mich auf mein Flugbrett.
Ich gehe aktuell davon aus, dass eine direkte Verfolgung Maruchs selbst mit meinem Flugbrett Unsinn sein dürfte. Ich habe das Gefühl, dass mein feiner Magister möglicherweise gar nicht zu Fuß gereist war sondern sein Teppich ihm als Transportmittel gedient haben mag und ich ihn so kaum einholen werde. Ein Flug würde auch erklären, warum keinerlei Spuren von ihm zu finden sind. Es waren doch in der näheren Umgebung keine, oder?
Dementsprechend plane auch ich eine maßvolle, überlegte Verfolgung und möchte zunächst zu Birshens Turm zurückkehren. Immerhin warten dort ja auch noch zwei Wegbegleiter auf mich, auf die Birshen nicht ewig aufpassen möchte.
Mein nächster Schritt ist also ein Besuch bei Birshen, der ich alles, was sich zugetragen hat, berichten werde. Insbesondere möchte ich ihr auch sagen, dass Larissia eine Tätowierung auf dem Unterarm trägt. Vielleicht kann Birshen damit etwas anfangen. Ich frage mich außerdem, ob es möglich sein könnte, den Dschinn zu binden. Irgendetwas scheint es ja mit dessen Glocke auf sich zu haben, vielleicht ist das so eine Art magischer Fokus. Weiß Birshen über solche Dinge etwas, könnte man die Glocke stehlen? Vielleicht ist ja auch der Dschinn an einem kleinen Rachefeldzug interessiert.
Ganz unabhängig davon frage ich mich, wann denn eigentlich die nächste Vollmondnacht ist, keimt in mir das Gefühl auf, dass ich noch ein zweites Gespräch zu führen habe. Auch wenn ich noch immer nicht recht verstehe, was es mit meiner Verbindung zu dem Geparden auf sich hat.
Danach möchte ich nach Rashdul reisen. Ich vermute es wird eine Route geben die auch Maruch möglicherweise genommen hat. Vielleicht hilft mir Birshen noch einmal über Madas Spiegel Kontakt zu Larissia aufzunehmen und ich kann irgendwie die Reisenden abfangen, ehe sie ihr Ziel erreichen. Ich bin aber gerade bereit im Zweifel bis in die Niederhöllen zu marschieren.
Als dein Schwur verhallt und das letzte Staubkörnlein zu Boden gesunken ist durchfährt ein bekräftigendes Grollen die Erde. Bestärkt machst du dich daran, deine Sachen zu packen. Deine Vermutung, dass Maruch die Reise mit seinem Teppich angetreten hat ist sehr naheliegend, wie sonst hätte er die große Truhe und Larissia alleine fort schaffen können ohne Fuß- oder Schleifspuren zu hinterlassen. Als du dich vorbeugst um die Zeltplane zusammen zu rollen, rutscht dir etwas aus dem Revers – Maruchs Amulett, welches dir noch immer um den Hals baumelt. Scheinbar hat er es vergessen. Wutentbrannt nimmst du es ab, steckst es dir dann aber mit einem siegesgewissen Lächeln in die Tasche – wer weiß, wofür es noch gut sein mag.
Mit geschultertem Gepäck lässt du ein letztes Mal den Blick über deinen Lagerplatz schweifen – bereit dich auf dein Flugbrett zu schwingen. Da bemerkst du eine Bewegung in der Luft zwischen dem Felsbogen. Ein feines Stimmchen ruft „Warte noch! Warte!“ und schon umschwirrt dich eins der Luftgeisterchen und plappert mit seiner hellen Stimme auf dich ein: „Mein Herr schickt mich! Ich soll dir etwas von ihm geben… Erst war er ganz wütend, der Herr, dass die Dame ohne dich fort ist. Aber dann hat er deine Worte gehört und möchte dich bei deinem Vorhaben unterstützen! Er sendet dir dies hier!“ Vor dir auf dem Boden landet ein kleiner Palmzweig. Es hängen drei Datteln daran. Er sieht aus wie jeder gewöhnliche Dattelzweig, aber als du ihn aufhebst vermeinst du kurz das Prickeln der Magie unter deinen Fingern zu spüren. „Es sind Zauberdatteln aus der Oase meines Herrn! Nenne einen Ort, zerbeiße eine davon und einer meiner starken Brüder wird dich, und alles was du bei dir trägst, dort hin bringen, schneller als du denken kannst. Pass gut auf sie auf und setze sie weise ein, sagt mein Herr. Und viel Erfolg!“ Und damit will sich das kleine Geistlein schon wieder davon machen.
Möchtest du noch etwas von ihm wissen? Ich nehme an, du bleibst vorerst bei deinem Vorhaben Birshen aufzusuchen? Wenn du mit dem Flugbrett jetzt aufbrichst, wirst du kurz nach Anbruch der Dunkelheit an der Höhle des Schamanen sein. Dort kannst du Rasten, oder die Nacht durchfliegen um am Morgen bei Birshen zu sein. Fliegst du erst morgens weiter erreichst du Birshen um die Mittagsstunde. Natürlich steht es dir auch frei, direkt eine der Wunschdatteln auszuprobieren um noch schneller zu reisen.
“Bitte warte noch kurz, dienstbarer Geist des Sturms” rufe ich dem Wicht zu und hoffe, dass er sich noch bremsen kann. “Wenn du mir diesen Gefallen tun könntest: Bitte überbringe deinem Herren meine Dankbarkeit und sage ihm, dass es mir Leid tut. Ich beginne zu begreifen, dass ich ihn vorschnell verurteilt und zu schnell geglaubt habe, was ich hätte nicht glauben sollen. Es tut mir Leid und ich werde für einen guten Ausgang dieser Geschichte sorgen. Wie auch immer dieser aussieht. Darauf kann er sich verlassen.”
Eigentlich liegt mir noch die Frage auf der Zunge, ob Larissia wirklich Sturms Tochter ist, aber diese Frage stelle ich nicht mehr. Zu wenig bin ich aktuell in der Lage Wahrheit und Täuschung zu unterscheiden und ich habe beschlossen Larissias Wünsche lieber von ihr selbst zu erfahren als von jemand Fremden. Deshalb wende ich mich nun um, schultere den Rucksack und wiege Datteln in der einen und Flugbrett in der anderen Hand.
Ich glaube es ist noch nicht an der Zeit die Datteln einzusetzen: eine ist für die Reise nach Rashdul, eine für die Flucht aus großer Gefahr und eine um Larissia dorthin zu bringen wo immer sie hin möchte. Oder, so sich alles gut fügt – und ich seufze bei dem Gedanken – mich nach Hause.
Mit diesem Gedanken schwinge ich mich nun elegant auf mein Brett, lasse die Datteln in eine Tasche rutschen und nicke noch kurz Richtung Bogen: “So gehabe dich wohl Sturm. Ich habe das Gefühl auch wir haben uns nicht zum letzten Mal gesehen.”
So meine Kräfte es zulassen werde ich keine Pause machen und versuche so schnell es geht Birshen zu erreichen. Ich freue mich darauf die Menschen wieder zu treffen, denen ich uneingeschränkt vertrauen kann. Eine willkommene Abwechslung zu dieser Schlucht der Trugbilder.