Der Palast, in den du geführt wirst, ist eines Akademieleiters würdig, und dennoch wirkt er weitaus lichter und weniger protzig als der Dunchabans. Beim Betreten der Eingangshalle kannst du in Nischen und auf Säulen Kuriositäten aus ganz Aventurien bewundern, zweifelsohne Mitbringsel von diversen Expeditionen. Es herrscht ein stilistisches Durcheinander, was auf eine schrullige Art jedoch einladend und wohnlich wirkt. Es bleibt dir allerdings nicht viel Zeit, dich umzusehen, denn ibn Jassafer schreitet zügig voran, eine breite Freitreppe empor zu einem großen Studierzimmer im Obergeschoss.
Du bemerkst hier ähnliche Sicherheitsvorrichtungen wie in dem Raum, in dem du dich mit Elizeth getroffen hattest: Mit Kreide ist ein Bannkreis entlang der Wände gezogen. Mehr Aufmerksamkeit schenkst du dem Raum aber kaum, denn die beiden Personen darin ziehen sofort deine Blicke auf sich.
Es sind Elizeth und Larissia – letztere kannst du nur geradeheraus anstarren, wirkt sie doch wie ausgewechselt: Sie steht und bewegt sich wieder unangestrengt, ja mit einer geradezu eindringlichen Präsenz und Zielstrebigkeit. Sie trägt ein weißes, perlenbesticktes Gewand mit einem komplizierten Muster verschlungener, rostroter Linien. Erst beim zweiten Hinschauen erkennst du es als das Ritualgewand, welches du getragen hattest. Elizeth nickt euch zu: “Wir machen sehr gute Fortschritte. Dsche, du möchtest dich bestimmt mit deiner Freundin unterhalten…”
Elizeth und ihr Vater ziehen sich leise diskutierend in eine Ecke des Raumes zurück, und Larissia ergreift freudig deine Hände: “Was meinst du dazu, Dsche? Ist dies nicht ein Wunderding, was sie mir gegeben haben? Es ist etwas darin, was mich vorantreibt – was mich wiederherstellt. Auch wenn ich lernen muss, mich nicht davon beherrschen zu lassen. Ich fühle mich zwar nicht wie vorher aber doch wieder stark! Elizeth sagt, ich brauche nur noch ein paar Tage, bis sie es mir uneingeschränkt zutraut…” Sie zieht dich etwas näher zu sich und wispert: “Unter uns gesagt, ich fühle mich bereits voll und ganz wohl damit, aber ich glaube die beiden wollen das Gewand noch genauer studieren bevor sie mich damit allein lassen… Und auch wenn ich hoffe, irgendwann wieder aus eigenen Kräften rennen und springen zu vermögen, so ist dies doch ein kostbares Hilfsmittel für die Zeit bis dahin! Du kannst dir nicht vorstellen wie es war… so viele Tage… so erbärmlich… Ich hoffe ich darf es noch ein paar Wochen nutzen.
[es bleibt dir hier noch etwas Zeit für ein Vieraugengespräch mit Larissia, bevor der Akademieleiter Elizeth hinausschickt und sich wieder an dich wendet]
“Nun, Dscheridan! Du hast mir nun deine Seite der Geschichte erzählt, und du hattest Gelegenheit einige der Konsequenzen der kürzlichen Geschehnisse mit eigenen Sinnen zu erleben.” Diese Worte unterstreicht er mit einem bedeutungsschweren Blick.
“Ich stehe nun also vor der Herausforderung, den Frieden an der Akademie wiederherzustellen und Gerechtigkeit walten zu lassen. Bevor ich meine Entscheidung verkünde, wüsste ich gerne, wie du an meiner Stelle urteilen würdest. Und bitte, wähle deine Worte mit Bedacht, sie werden in meine Entscheidung miteinfließen. Beantworte mir bitte folgende Fragen:
Es sind infolge des abgehaltenen Rituals einige Schäden entstanden – nenne mir bitte alle Geschädigten.
Was hältst du für eine angemessene Entschädigung?
Sollten abgesehen von diesen Entschädigungen weitere Strafen verhängt werden? An wen und welche?
Ich bin so froh Larissia wohlauf und so beschwingt zu sehen, dass mir gar nicht recht behagt Schatten der vergangenen Tage aufleben zu lassen und so belasse ich es bei einem gespielt fröhlichen “Es ist wundervoll dich so munter und wohlauf zu sehen!” ehe ich schon von mir aus den Blick seiner Spektabilität suche und auf ihn zugehe.
Als er seine Frage an mich richtet bin ich zunächst erschrocken. Dann aber schweift mein Blick in die Ferne und eine seltsame Leichtigkeit umspült mein Herz und meine Gedanken. Ich lächle als ich das erste Mal seit sehr, sehr langer Zeit an meinen Vater denken muss:
“Spektabilität, ich musste gerade an die Urteile meines Vaters Yussuf denken. Wie oft waren mir die Stunden zu lang, wenn ich zusehen sollte, wenn er Urteil hielt. Er redete meist lang, weil er, wie er oft erklärte, die Dinge erst von mancher Seite besehen müsse, ehe das Urteil reif sei. Man müsse den Dingen zu ihrem Ursprung folgen. Oft drehte er einen flachen Stein in der Hand um die Dinge symbolisch wieder und wieder zu wenden.”
Ich hole Luft und stehe nun sehr sicher da: “Was ist passiert und sprechen wir hier von den Folgen eines Rituals oder was gab den Stein des Anstoßes?
Es war eine Entführung. Eine Entführung aus Liebe? Vielleicht. Aus Eifersucht? Möglich. Aus Machtgier? Wahrscheinlich. Gilt es also einen Entführer zu bestrafen? Das ist so, doch ist der Entführer bereits, man möchte sagen, mehr als bestraft. Mit dem Tode nämlich.
Und wer spielte dabei eine Rolle und was ist passiert?
Einige wohlmeinende Schüler? Nicht von belang.
Elizeth, die Tochter seiner Spekatbilität? Nun, es mag sein das ihr Ansehen aufgrund wilder Gerüchte leidet. Vielleicht wächst es aber auch noch. Das vermag man nicht zu sagen. Gereicht es ihr zum Nachteil? Wahrscheinlich nicht.
Maruch, Meisterschüler der Akademie und des Verblichenen. Er verlor seinen Mentor und eine Vaterfigur. Sollte er beginnen für sich selbst einzustehen? Vermutlich. Hätte er sich seinem Mentor in dieser Angelegenheit widersetzen können? Unter der Knute eher nicht. Gereicht es ihm zum Nachteil?”
Ich zögere und lächle dann wieder.
“Vermutlich nicht.
Gehört er bestraft weil er folgen musste und von mir geblendet wurde? Eher nicht.
Larissia, die Dschinnentochter. Sie ist vielmehr Opfer als Täterin. Ob die Trennung ihrer selbst etwas gutes oder schlechtes ist vermögen Gelehrte besser zu beurteilen als ich. Mein Eindruck ist, es war mehr Nutzen als Schaden dabei.
Bleibt zum Schluss noch ein junger Hexer, der wohl meinte aber schlecht tat und sich heillos überschätzte. Die Folgen habt ihr mir bereits aufgezeigt. Ein toter Lehrer und ein geborstener Turm. Den Turm kann man heil machen. Geld das zu bezahlen hat der Hexer keines. Vielleicht bürgt seine Familie für ihn und leistet finanzielle Abhilfe für den Wiederaufbau.
Nun, und dann ist da etwas, das man nicht heil machen kann. Ein Menschenleben. Gute Absichten sind keine Entschuldigung dafür sich über die Götter und das Leben aufzuschwingen. Und ob ich meinem eigenen Wunsch oder einem übermannenden eingeflüsterten Verlangen folgte, kann nicht mal ich selbst noch mit Sicherheit sagen. In Aranien bestraft man Mörder mit dem Tode. Mein Vater war zumeist mildtätiger. Immer dann, wenn kein niederer Beweggrund zu erkennen war. Nun, immerhin wollte ich gewiss der Entführten helfen. Das mag für mich sprechen.
So rate ich euch denn zu Folgendem: Um der Gerechtigkeit genüge zu tun und recht zu sprechen verbannt mich. Enthebt mich meines Ranges, verweist mich des Landes und droht mir mit dem Tode sollte ich vor Ablauf einer Frist von 12 Jahren zurückkehren.”
Nach diesem Redeschwall fühle ich mich erleichtert und muss wieder lächeln.
Ziemlich leise setze ich noch hinzu: “Und wenn ihr besonders mildtätig seid, so lasst ihr mich vor der Vollstreckung zwei Briefe schreiben.”
Mit wackelndem Kopf mustert dich der Akademieleiter. Während deiner Worte hat er sich an mehreren Stellen ein zustimmendes Lächeln nicht verkneifen können, nun jedoch ist er ganz ernst geworden: “Ich muss dir sagen, in einigen Punkten bin ich nicht mit dir einer Meinung. Aber ich werde dem weisen Ratschlag deines sicher sehr großmütigen Vaters folgen, und diesen Kiesel auf dem Weg zur Versammlung noch einige Male wenden. Mein Urteil betrifft nicht dich allein, und es ist wichtig, dass es nicht nur vor dir allein gesprochen wird. Ein Teil des Akademierates erwartet uns, sowie alle an diesem Unglück beteiligten Personen. Folge mir bitte.”
Er führt dich so zügig durch verschiedene Gänge und Treppen, dass du den Überblick längst verloren hast – hängst du doch deinen eigenen Gedanken nach. Schließlich betretet ihr ein halbrundes Turmzimmer. Hier warten einige ernst dreinschauende Magier und Magierinnen in einem Halbrund aus Stühlen. Ibn Jassafer nimmt in ihrer Mitte auf einem erhöhten Stuhl Platz und bedeutet dich auf eine Bank an der linken Seite. Hier sitzen bereits Elizeth, Larissa und ein überaus finster dreinblickender Maruch. Es kommt zu einem kurzen Eklat, als Ramal Maruch bedrohlich anknurrt, woraufhin dieser aufspringt, mit giftiger Stimme die sofortige Entfernung des “Tiers” aus dem Anhörungssaal fordert. Der Akademieleiter mahnt dich, deinen Vertrauten im Zaum zu halten. Maruch braust auf, er sei bereits einmal zuviel Opfer “dieser Bestie” geworden. Der Disput endet schließlich mit einer Verwarnung für Maruch, der Auflage, dass Ramal beim nächsten Laut entfernt wird und folgender Sitzordnung: Maruch und du sitzen jeweils an den äußersten Enden der Bank, mit Elizeth und Larissa zwischen euch, Ramal zu deinen Füßen. Maruch wendet sich demonstrativ von dir ab und würdigt dich keines weiteren Blicks.
Auf der euch gegenüberliegenden Seite des Raumes ist ein erhöhter Diwan mit Baldachin aufgebaut, welcher derzeit verwaist ist. Ein Junge tritt an ibn Jassafer heran und übergibt ihm eine Botschaft. Er nickt und der Bote eilt davon. Fürs Erste geschieht nun erst einmal gar nichts, bis auf geflüsterte Gespräche zwischen Sitznachbaren und forschenden Blicken allerorten. Elizeth, raunt dir zu: “Shanja Elisha… vermutlich wird sie dem Urteil beiwohnen… oh Ingerimm, schenke mir Nerven aus Stahl…” [du weißt aus dem Unterricht, dass es sich bei der Shanja um die Herrscherin Rashduls handelt]
Eine schier endlose kleine Ewigkeit vergeht, in der Maruch dir weiter unbeirrt die kalte Schulter zeigt. Schließlich öffnet sich die Tür erneut, ein Herold tritt ein, und als er die Shanja mit blumigen Lobpreisungen ankündigt, erheben sich alle im Saal. Eine Sänfte wird herangetragen, welcher eine verschleierte tulamidische Schönheit entsteigt. Anmutig und mit klimpernden Armreifen lässt sich die etwa wohl etwa 25 Götterläufe zählende Frau auf dem Diwan nieder. Sie nickt kurz. Der Herold ergreift das Wort: “Shanja Elisha teilt mit, dass die Rechtsprechung im Falle eines auf Akademiegelände geschehen tödlichen magischen Unfalls ungebrochen bei seiner Spektabilität Dschelef ibn Jassafer liegt. Da es sich jedoch bei dem Verunfallten um den Großwesir ihrer Majestät handelt, wünscht sie sich von den Umständen seines Todes persönlich ein Bild zu machen.”
Ibn Jassafer verneigt sich tief: “Seid herzlich willkommen, Sonne Rashduls, diese Halle wird durch euren Glanz erhellt. Alle Wünsche, die ihr äußert, werden erfüllt werden.”
Grazil nickt die Frau, und auf eine Geste von ihr setzen sich alle wieder.
Aus dem Augenwinkeln nimmst du wahr, wie Elizeth kurz schnaubt und gekünstelt die Augen verdreht – sie scheint vom Auftritt der Shanja wenig beeindruckt.
Es beginnt eine Prozedur, wie du sie tatsächlich ähnlich von den Richtersprüchen deines Vaters erinnerst. Der Akademieleiter adressiert die Anwesenden in blumigen Worten und schildert seine Erkenntnisse zu den Ereignissen die zu Dunchabans Tod führten. Auch ergeht er sich in einem Vortrag über die Rechte und Pflichten eines Gildenmagus und der Akademie als solcher. Vielleicht auch wegen Elizeths anhaltend gewisperten Unmutsbezeugungen, gewinnst du den Eindruck, dass hier aufgrund der Anwesenheit der Shanja dem Protokoll besonders ausführlich genüge getan wird, und dass das Ganze unter anderen Umständen möglicherweise schneller und unbürokratischer geregelt worden wäre.
Ja, dein Gefühl sagt dir, dass Dschelef ibn Jassafer viel lieber irgendwo auf einer Expedition wäre, als sich hier auf dem diplomatischen und juristischen Parkett zu bewegen. Da er aber nicht weg kann überspielt er sein Unwohlsein mit einem Übermaß an theoretischen Betrachtungen und Analysen (einem Feld auf dem er sich sehr wohl zu fühlen scheint) und beginnt die Aufarbeitung der Geschehnisse tatsächlich noch vor Larissias Geburt bei Dunchaban und Sturm.
“Vielleicht will er sie zu Tode langweilen, damit sie sobald nicht wieder herkommt…” stänkert Elizeth neben dir. Für dich allerdings ergibt seine Perspektive, trotz der schier unerträglich detailreichen Darstellung, einige interessante Ergänzungen zu deinem bisherigen Kenntnisstand:
– Der Akademieleiter beschreibt den Dunchaban von damals als ehrgeizigen aber schüchternen Magus, der durch die Liebe zu Larissias Mutter richtiggehend aufblühte
– Du erfährst einiges über das unzuverlässige und experimentierfreudige Wesen von Dschinnen und Geistern der Lüfte (darfst als Spieler nochmal in entsprechenden Quellenbüchern schmökern wenn du lustig bist, und Dsches Charakterwissen nach Geschmack anpassen)
– Im großen und ganzen deckt sich seine Darstellung des Geschehens mit deinem bisherigen Kenntnisstand (wenn du noch irgendwo nachfragen hast, zu mir damit)
– anscheinend gibt es so etwas wie eine Pflicht der Akademie, ihre Schüler und vor allem die Bevölkerung vor gefährlicher Magiewirkung zu schützen, hier übt Dschelef Kritik an seinen eigenen Versäumnissen und auch denen Dunchabans
– die Entführung Larissias wird Dunchaban angelastet und auf schlimmste verurteilt
– der Ritualdolch und das Diadem der Gefügigkeit werden als von Dunchaban angefertigte fragwürdige Artefakte vorgelegt
– Dschelefs Forschung zufolge hätte der Ritualdolch auf jeden Fall ein Blutopfer gefordert. Wenn Dunchaban das Ritual geführt hätte also wahrscheinlich Larissa
– die Planung des Rituals und das Anfertigen des Dolches werden dahingehend ausgelegt, dass Dunchaban die gesunde Selbsteinschätzung verloren hatte
– Dschelef belegt alle Anwesenden mit dem Versprechen, über die genauen Umstände des Rituals Stillschweigen zu bewahren. Die Erklärung für die einfache Bevölkerung und jungen Scholaren soll sein, dass Dunchaban bei einem magischen Unfall in seinem eigenen Labor ums Leben kam, und dabei auch der Turm zerstört wurde.
“Erhebt euch nun und hört die Rechtsprechung über diese vier am Unfall Beteiligten!”
“Domna Larissa, Tochter der Phelippa und Ziehtochter des Kaufmannes Xaidian di Mebocchio zu Vinsalt. Ihr seid in dieser Geschichte vielmehr Opfer als Täterin. Ihr habt diese Akademie unter Zwang betreten und euch ist in ihren Mauern Gewalt angetan worden. Als unmittelbare Auswirkung der Taten Dunchabans, Maruchs und Dscheridans seid ihr einer Hälfte eurer Persönlichkeit beraubt und werdet mit erheblichen körperlichen Einschränkungen leben lernen müssen. Als Entschädigung offeriert euch die Pentagramm- Akademie das kraftspendende Artefakt, welches ihr zur Stunde tragt. Sobald seine Unbedenklichkeit sicher nachgewiesen wurde, soll es das eure sein. Ihr seid unschuldig am Tode Dunchabans. Für Schaden am Turm der Stürme ist ein Teil von euch verantwortlich, über den Ihr keine Kontrolle mehr habt, und der seit eurer Spaltung an als eigene Entität betrachtet werden muss. Ihr dürft euch setzen”
“Maga Elizeth Dschelefsunni, meine Tochter. Du hattest Kenntnis von dem bevorstehenden Ritual und suchtest es zu verhindern. Dabei hast du einem akademiefremden Zauberkundigen Zutritt zum Ritualraum verschafft und dich dem stellvertretenden Akademieleiter allein entgegengestellt. Den Akademierat hast du nicht hinzugezogen. Auch wenn deine Absichten edel waren, hast du deine Fähigkeiten deutlich überschätzt. Somit hat deine stolze Eigensinnigkeit dazu beigetragen, dass die Situation außer Kontrolle geraten konnte. Du trägst eine Teilschuld an Dunchabans Tod. In Konsequenz wirst du erst ein lehrendes Amt an dieser Akademie bekleiden dürfen, wenn du gelernt hast, jedes einzelne Mitglied der Akademie mit seinen Fähigkeiten zu schätzen. Ich beauftrage dich mit der Erstellung und Einteilung des Lehrplanes für das kommende Akademiejahr. Forschung und Lehre wirst du bis Ende Rondramond ruhen lassen, dann wird der Akademierat über deine weitere Verwendung abstimmen.”
An dieser Stelle wird sein Redefluss von einer hageren Magistra mit finsteren Augen und stark gekohlten Augenlidern unterbrochen, welche ihrer Empörung über diesen Richtspruch lauthals Ausdruck verleiht: “Eine unerhörte Verschwendung!”
Wortwahl und Gebaren lassen sie wirken wie eine ältere Version Elizeths, auch wenn es vom Gesicht und Körperbau keine Ähnlichkeiten gibt.
Elizeth selbst gestattet sich keine Gefühlsregung.
Nachdem die Magistra zur Ruhe gerufen worden ist fährt Dschelef ibn Jassafer fort:
“Magus Maruch, Schüler des Dunchaban, du bist Adeptus primus dieser Akademie und solltest daher in all deinen Taten und Entscheidungen ein Vorbild sein. Von einem Primus dieser Akademie erwarte ich nicht nur akademische Höchstleistung sondern ebenso Charakterstärke! Stolz und Loyalität zu deinem Lehrmeister haben dich verleitet zum Werkzeug eines Entführers zu werden, und in einem Ritual mitzuwirken, dessen Auswirkungen du nicht ermessen konntest. Nicht nur das, desweiteren du hast dir angemaßt, dieses Ritual unter Mitwirkung eines magischen Laien ohne Supervision durchzuführen. Durch diese Fahrlässigkeit hast du selbst deinen Teil zum folgenden Tod Dunchabans beigetragen. Aber als wäre all dies nicht genug Anlass in dich zu gehen und aus deinen Fehlern zu lernen, suchst du die Verantwortung von dir zu weisen und behauptest verführt und manipuliert worden zu sein, von Dscheridan, einem Mann, den du laut deiner Berufung als Magus vor derartiger Magie hättest schützen sollen. Diese Feigheit ist eines wahren Adeptus primus unwürdig, du bringst damit Schande über alles, wofür die Auszeichnung des Rohalmals steht.
Maruch sal Dunchaban, ich verweise dich hiermit der Akademie und widerrufe den von meinem Stellvertreter erteilten Lehrauftrag. Du wirst dir eine neue Wirkensstätte suchen müssen, und sei gewiss, dass mein Wort bei den umliegenden Akademien schwer genug wiegt, dass du dafür eine weite Reise auf dich nehmen musst. Ich hoffe, dass dir das Zeit verschafft, über deine Verfehlungen nachzudenken!”
Maruch ist knallrot angelaufen. Eine Ader an seiner Stirn pocht. Er funkelt den Akademieleiter zornig an. Sein Mund öffnet sich in Protest, aber Dschelef schneidet ihm das Wort ab:
“Schweig! Allein deine herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Elementarforschung halten mich ab, deinen Titel und Rang in Frage zu stellen! Dein Talent soll nicht vergeudet werden, jedoch dein Charakter bedarf dringend der Festigung. Wenn zwei Götterläufe vergangen sind, magst du dich hier wieder vorstellen. Bis dahin gilt für dich an dieser Akademie die disliberatio!“
Im Saal bricht Gemurmel los, welches Dschelef unterbricht, indem er seinen Magierstab laut auf den Boden stößt.
„Und nun zu dir, Bey Dscheridan ibn Yussuf, Hexer aus Aranien. Mitleid und Sorge um eine Freundin waren es, die dich hierher geführt haben. Aber so edel diese Motive auch sind, haben sie dich zu Handlungen bewogen, welche nicht ungestraft bleiben dürfen: Es war deine Hand, die im Ritual den Dolch führte. Du endetest Dunchabans Leben.
Aufgrund aller bisher dargelegten Umstände muss ich hingegen dem Wunsch Maruchs widersprechen, der dein Leben für das seines Lehrers gefordert hat. Nach allem was uns bisher bekannt ist, hast du diesen Dolch ergriffen um zu retten, nicht um zu töten. Aber deine Unwissenheit schützt dich lediglich vor der schwersten Strafe. Ein Mensch ist gestorben, und es ist Feqz allein zu verdanken, dass ihr drei das Ritual überlebt habt. Dscheridan, die Unverfrorenheit, mit der du mit magischen Artefakten hantiert hast, als sei es Spielzeug und dabei mit Mächten herumpfuschtest, die zu beherrschen ein jahrelange sorgfältiges Studium erfordert grenzt an Narrheit. Damit verspottest du diese Akademie und alles wofür hesindegefällige Gildenmagie steht. Deiner Scharlatanerie muss Einhalt geboten werden! Dir wird in Zukunft die Tür zu jeder Magierakademie Aventuriens verschlossen bleiben. Du sollst an deiner rechten Hand ein magisches Siegel erhalten, eine Warnglyphe, die jedem Magus anzeigt, dass du ein gefährlicher Zauberkundiger ohne gildenmagische Ausbildung bist. Desweiteren wirst du den am Turm der Stürme entstandenen Schaden abbezahlen, oder – so du das nicht kannst – abarbeiten. Nicht alles im Leben, oh Satuariensohn, lässt sich mit einem Lächeln und gutem Willen wieder zurechtrücken. Ich hoffe dies erteilt dir eine Lektion in Demut und Disziplin.”
Erwartungsvolle Stille liegt im Saal, doch Dschelef scheint nicht weiter sprechen zu wollen.
Somit bietet sich dir eine kurze Gelegenheit zu reagieren oder schweigend zu warten, bis die Versammlung ordnungsgemäß aufgelöst wird.
Eine Vielzahl an Emotionen durchströmt mich. Ich kann gar nicht genau sagen, was ich eigentlich gerade genau fühle. Elizeth tut mir Leid. Bei Maruch empfinde ich gleichsam Genugtuung für sein urteil und Bedauern dafür, dass er mich jetzt hassen muss. Dieser Mann bringt mich völlig durcheinander.
Als mich seine Spektabilität der Scharlatanerie beschuldigt zuckt es kurz in mir. Auf eine absurde Art fühlt sich da Ganze wie eine Beleidigung meiner Großmutter an. Nach dem die letzten Worte meines Urteils gesprochen sind, bin ich kurz versucht, meine Gedanken in Worte zu kleiden und in blumig vielsagender Weise die Verhandlung zu kommentieren.
Dann besinne ich mich aber eines Besseren. Etwas ‘abzuarbeiten’ bereitet mir zwar ziemlich Unbehagen, Magierakademien nicht betreten zu dürfen kommt mir mithin beinahe mehr wie ein Geschenk vor. Diese kühl kalkulierte Art der Magie soll mir in Zukunft gestohlen bleiben und ich sehe nicht, warum ich jemals wieder eine Zauberschule betreten sollte.
So versuche ich denn ein zaghaftes Lächeln in Richtung Larissia zu werfen und Elizeth ein “Es tut mir Leid” zuzuraunen.
Dann warte ich ab, bis sich die Gruppe zerstreut und versuche dann Deschlef ibn Jassafer erneut anzusprechen: “Ihro Spekatbilität? Wie genau stellt ihr euch dieses Abarbeiten denn vor?” und kann dabei den Unmut aus meiner Stimme nicht ganz verbergen.
Maruch indes ignoriere ich. Ich habe Angst mit ihm aneinander zu geraten. Außerdem bin ich mir nicht ganz sicher wie gut ich Ramal im Fall der Fälle im Griff hätte.