Bevor Rashid eine Antwort geben kann, hört ihr das Rufen eines Mannes, der euch von der Oase her nachläuft. Dir schießen zuerst Fluchtgedanken durch den Kopf, doch dann erkennst du Omars Stimme. Er winkt mit etwas. Als er zu euch aufgeschlossen hat, reicht er dir ein Bündel. “Unbedachter Bruder der Eile, nun hätte sich fast doch noch erfüllt, was zu verhindern du so viel Mühe auf dich genommen hast…” Tatsächlich hält er das eingewickelte Diadem in seinen Händen. Es muss dir im Teezelt aus den Taschen gerutscht sein… Du beschließt es von nun an an dir festzubinden, verabschiedest dich erneut bei Omar und ihr brecht auf.

Die Passstraße habt ihr kurz hinter der Oase verlassen und an einer Quelle die Pferde getränkt sowie eure Wasservorräte aufgefüllt. Auch Gelegenheiten für die Pferde zu grasen gab es genug. Rashid hat sogar in der ersten Nacht einen Hasen in einer Falle gefangen, eine Mahlzeit, an der du dich gerne beteiligt hast. Da ihr aber so schnell wie möglich vorankommen wollt, verwendet ihr ansonsten keine Zeit auf Jagd sondern haltet euch an die Dörrfleisch Vorräte. Anfänglich hat Rashid dich noch mit Fragen gelöchert, was ihr beim Turm wollt, wieso Ishaban sich so seltsam benommen hat und viele andere Dinge, da du aber ob deiner Laune nur abgehackt geantwortet hast, hat er die Fragerei irgendwann eingestellt. Es gab zwischendurch anspruchsvollere Anstiege, wo ihr abgestiegen seid und klettert. Auf leichteren Streckenabschnitten reitet ihr schweigend oder plaudert über Nichtigkeiten, um deinen Geist von deiner Einsamkeit abzulenken.

Jetzt liegst du auf hartem steinigen Boden, nur gepolstert durch pieksiges Steppengras. Es wird zum dritten Mal Nacht. Morgen noch vor Mittag werdet ihr den Zauberturm erreichen, sagt Rashid.

Dich fröstelt. Dass in den Nächten der Wind so eisig von den Bergen runter kommt, wie er an den Tagen heiß aus der Wüste hoch weht, das hattest du so extrem nicht erwartet. Rashid hat für euch einen etwas windgeschützten Lagerplatz gesucht, aber hier jenseits der Baumgrenz bieten nur die zerklüfteten, bizarr geformten Sandsteinblöcke etwas Schutz. Ein Feuer würde zwar die Schlangen und Skorpione fern halten, aber auch Räuber anlocken, und da du nicht riskieren möchtest, das Diadem erneut zu verlieren habt ihr diese Nacht, wo es weithin sichtbar wäre, darauf verzichtet.

Irgendwie kannst du nicht richtig schlafen. Mehr als die anderen Tage spürst du diese Verzweiflung in dir aufsteigen. Der Weg war anstrengend und so gut wie nicht markiert. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es Larissia gelungen sein könnte, alleine hier hoch zu finden. Und was, wenn ihr sie beim Turm nicht trefft? Zu allem Unglück hast du dann am Abend auch noch einen Wegweiser gefunden: “Rushan ibn Esy – Meister der Beschwörung – Magische Konsultationen”. Im Hintergrund war ein Turm gezeichnet und der Pfeil zeigte auf genau den Trampfelpfad auf dem ihr euch befindet… Was wenn ihr nun auch noch zu einem falschen Turm unterwegs seid? Du hast Rashid noch nichts gesagt. Wieso auch. Wollt ihr jetzt umkehren, wo ihr drei Tage geklettert seid? Anklagend starrst du zum wachsenden Madamal hoch und haderst mit deinem Schicksal. Welch eine Probe hat dir Satuaria da auferlegt. Wärst du doch daheim in deinem Palast, auf damastenen Kissen, statt in dieser pieksiegen Kälte. Hättest du doch etwas Weiches, Warmes, an dass du dich schmiegen könntest. Hättest du doch jemand, der dir sagt, was als nächstes zu tun ist… Über diesen Gedanken schläfst du ein.

Du erwachst vom ängstlichen Schnauben der Pferde in der Nähe. Es ist noch dunkel. Dir ist nicht mehr kalt. Jemand hat dich zugedeckt. Die Decke ist weich und warm, bewegt sich und atmet? Du setzt dich auf, und das pelzige Ding gleitet von deinen Beinen. Der Gepard! Der Gepard ist wieder da! Er setzt sich dir gegenüber, und mustert dich eindringlich. Eure Augen treffen sich, und da ist wieder dieses Gefühl der Verwandtheit. Auch du bist einsam? Einen Moment seht ihr euch reglos an, dann duckt sich der Gepard, und schiebt mit der Schnauze einen hölzernen Gegenstand auf dich zu: Ein kleines Kästchen mit kunstvollen Beschlägen aus Gold. Er plaziert es vor dir und sieht dich erwartungsvoll an. Du öffnest es, und findest darin Schreibstock und Kohle, sowie einige gerollte Blätter Pergament.

Veröffentlicht von Mirya

Ein lebensfrohes kleines Bündel, das üblicherweise nicht auf den Mund gefallen ist, gute Gesellschaft ebenso wie gutes Essen genießen kann, und die sich wünscht es ginge immer allen überall gut.

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  1. Ich weiß zunächst gar nicht worüber ich eigentlich verwunderter sein soll: Den Botschafter oder die Botschaft. Da mir die Schatulle allerdings sogleich ein wenig bekannt vorkommt (auch wenn meine Rationalität gerade laut aufschreit und mich einen Tor schellt an solche Zufälle zu glauben) reiße ich sie begierig an mich, öffne sie und entnehme die Rollen Pergament.

    Ehe ich zu lesen beginne schaue ich dem Geparden tief in die Augen und versuche ihn Macht meiner Gedanken dazu zu bewegen Platz zu nehmen. Inständig hoffe ich, dass er meinem Wunsch der mehr Bitte ist als Befehl, nachkommt. Vermutlich blicke ich ganz flehend drein.

    Dann ziehen mich die Worte der Domna komplett in ihren Bann. Verschiedene Gefühle regen sich in mir. Stolz als der aranische Prinz bezeichnet zu werden. Freude über den schönen Bericht der Geburtstagsfeier. Verwunderung darüber wie sehr unterschiedlich Menschen die gleichen Sachverhalte doch betrachten. Wo ich nur Staub und Sand zu sehen vermag und Trauer und Hass empfinde, erfreut sich die Domna der vielen Dinge die um uns herum passieren. Für sie muss sich die Reise ähnlich angefühlt haben wie für mich die zwei Nächte in der wundersamen Höhle.

    Dann dies Lied. Die Zeilen, die in mir den verzweifelten Wunsch erwecken eine geheime Botschaft darin zu erlesen, die mir helfen kann den Schleier des Geheimnisses zu lüften. Wäre es klüger gewesen mit Omar gen Keft zu reisen um dort “Im Herzen der Dürre” nach Domna Larissia zu suchen? Palmen? Datteln? All das haben wir doch schon … oder ist das Lied eine Wiedergabe dessen, was ich schon erlebt habe? Aber das kann doch alles nicht sein!

    Nur weiter … mein Flugschild! Mein Flugschild! Wenn sie seiner wirklich habhaft werden konnte wäre das ja in der Tat eine Möglichkeit weit zu reisen und … zu überleben!

    “Bei Satuaria, sie lebt!” entfährt es mir nun laut und freudig. “Ganz sicher hat sie überlebt!” Ich springe auf und wedel mit dem Papier umher. Nach meinem kurzen Freudentanz knie ich mich vor den Geparden hin und drücke ihn an mich. “Oh du Überbringer guter Kunde!”

    Dann weiß ich gar nicht wohin mit meinen vielen Gedanken. “Lausche den Lüften, sie tragen das Geheimnis der Oase mit sich zu dir.”

    Ich blicke talwärts in Richtung aus der wir kamen und lausche angestrengt. Absurd zu denken der Wind könnte ein Geheimnis an mich herantragen. Nach einigen Herzschlägen wende ich mich ab. Rashid wird von meinem lauten Gerede sicher wach geworden sein.

    Wir, also die Domna und ich, wollten gemeinsam zum Hexenturm. Dies ist der einzige Turm weit und breit. Wenn die Domna hofft sich mit mir zu treffen wird sie dort auf mich warten, denn das ist unser gemeinsames Ziel. Wie kann sie erraten dass ich kunde von dem Lied erhalten habe und sich so neue Gedanken in meinem Kopf formen.

    “Rashid, Eile, Eile! Nur keine Müdigkeit vorschützen. Die Sonne wird sicher bald aufgehen und wir sollten keine Zeit verlieren. Ich kann es kaum erwarten endlich diesen Tum zu erreichen!”

    Dann schaue ich dem sicherlich etwas fragend aus dem Wetter schauenden Geparden in die Augen und runzel die Stirn: “Bist du meinem verzweifelten Ruf von gestern Abend gefolgt mein schöner Freund?”
    Ich hocke mich wieder hin und strecke die Hand in Richtung seiner Schnauze um ihn zu kraulen: “Ich weiß nicht was es mit dir auf sich hat aber … ich möchte dass du mit uns kommst.”

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