Tatsächlich überragst du alle drei Gesellen um Haupteslänge, wie du feststellst, als sie heran sind.
„Na, wenn das kein Fingerzeig Angroschs für eine Pause ist, soll mir direkt der Bart abfallen“ antwortet der Gruppensprecher und die anderen nicken zustimmend.
„Meine Brüder und ich danken für deine traviagefällige Einladung, kleines Fräulein Mirya, und nehmen diese gern an. Doch lass uns etwas von unserem Proviant teilen. Dir deine kleine Wegzehrung wegzuessen wäre mehr als unhöflich.“
Aus dem kleinen wuchtigen Angroschim spricht ehrliche Fürsorge – da bist du dir sehr sicher. Seine ganze Aura ist von einem positiven, gemütlichen Habitus erfüllt. Dies meinst du so einordnen zu können, obwohl man sicherlich menschliche Menschenkenntnis nicht komplett auf die Zwergenrasse übertragen kann.
So lassen denn die drei kleinen Herren laut polternd ihre Rucksäcke zu Boden sinken und kramen allerlei Proviant, eine große (ziemlich nach Ruß riechende) Decke und sogar ein kleines Fass hervor und machen aus deinem Rastplatz ein echtes Wegelager.
Die zwei Stabträger stellen sich als Silgesch und Boresch, der Wortführer als Arrgam vor. Alle drei nennen ihren vollen Namen und hängen jeweils ein „Sohn des Armagesch“ an. Die zwei – offenbar jüngeren – Zwerge sind tatsächlich Zwillinge, Arrgam ihr älterer Bruder.
Die drei kamen aus der Richtung, in die du wandern möchtest und können dir berichten, dass du zwischen Roter Sichel und den Drachensteinen auf dem „Sieben-Baronien-Weg“ unterwegs bist. Die nächste Ortschaft ist Tiefenfurt, danach folgt in einem Tal der Ort Dragenfeld und wenn man sich in südwestlicher Richtung hält erreicht man letztlich Runhag in Weiden. Insofern musst du keinen Pass erwandern sondern kannst in gleichmäßigem Auf- und Ab das Tal durchwandern.
„Am vergangenen Abend haben wir mit einer größeren Gruppe Gaukler kampiert, die wie du in südwestlicher Richtung ebenfalls auf dem Weg nach Runhag sind. Wenn du dich einigermaßen eilst, könntest du sie einholen. Sie sind mit mehren Karren unterwegs und reisen nicht sehr schnell. Der „Sieben-Baronien-Weg“ ist zwar nicht berüchtigt, für einen alleinreisenden, jungen Großling birgt er trotzdem seine Gefahren. Man wird auf Wanderschaft für Geringeres totgeschlagen als ein paar Nüsse!“
Während ihr einander Gesellschaft leistet bleibt es dabei, dass Arrgam das Wort führt und seine Brüder meist nur auf deine direkte Ansprache selbst erzählen. Dies scheint aber insbesondere darin begründet, dass beide des Garethi nicht allzu gut mächtig zu sein scheinen. Arrgam jedenfalls übersetzt einiges von dem, was du zu berichten hast ins Rogolan.
Dir tut das Gespräch gut und dein Eindruck von drei fröhlichen Gesellen bestätigt sich mehr und mehr. Du hast den Eindruck, dass die drei die Gesellschaft, die Pause beim Krug Bier und ein gutes Gespräch ebenso sehr genießen wie du. Sie stellen auch dir einige Fragen ohne dabei besonders persönlich zu werden oder bei Themen genauer nachzubohren. Deshalb siehst du auch keinen Grund argwöhnisch zu werden und fühlst dich sicher. Im Hinterkopf ärgert es dich, dass die jüngere Vergangenheit dich in der Hinsicht vorsichtiger hat werden lassen. Ein Stück deiner Unbeschwertheit ist wohl jüngst ‚gestorben‘.
Ich plaudere mit den dreien frei weg über dies und das und beantworte Fragen zu meiner Person oberflächlich und so nah an der Wahrheit wie es mir unverfänglich erscheint. Auch dass ich hoffe eines Tages bis nach Khunchom zu reisen, um dort eine Bekannte wiederzutreffen, die zum fahrenden Volk gehört. Neugierig erkundige ich mich daher auch über die Gauklertruppe, die mir vorausreist, ob wohl eine Lisanna dabei war? Egal wie die Antwort ausfällt, gefällt mir die Idee mich dem Trupp anzuschließen um nicht weiter allein reisen zu müssen. Bei meiner nächsten Etappe werde ich mich also eilen zu den Gauklern aufzuschließen. Jetzt zunächst koste ich aber die angenehme Gesellschaft in vollen Zügen aus. Versuche das Rogolan- Wort für danke nachzusprechen, oder den Refrain des Wanderliedes mitzusingen (wobei ich mich vermutlich nicht allzugut anstelle und über mich selber lachen muss), teile Nüsse und Bier, lasse Eikiko ein Kletterkunststück vorführen… Meine Neugier treibt mich noch, mich nach der Stange zu erkundigen, die die beiden Zwillinge tragen – ansonsten verläuft die Unterhaltung fröhlich unverfänglich, bis es irgendwann wieder Zeit wird weiterzulaufen. Wenn es soweit ist werde ich mich herzlich und unter Nennung ihrer kompletten Namen von den dreien verabschieden, und ihnen eine gute Weiterreise wünschen.
Von einer Lisanna wissen die drei Angroschim nichts, räumen aber ein sich die Namen nicht allzu gut gemerkt zu haben.
Die Zeit vergeht mit diesen Gesellen wie im Fluge. Auf deine Nachfrage hin berichtet dir Arrgam voller Stolz, dass seine zwei Brüder ein so genanntes Spießgespann bilden. Der Stab ist das Ende einer großen Waffe, eines so genannten Drachentöters. Während Arrgam aus seinem Rucksack die lange in Tücher eingeschlagene Spitze des Stabes herausholt, erklärt er dir, dass die drei aus eben dem Grund auf Reisen sind. Er preist die Schmiedekunst mit der die tödliche Waffe gefertigt wurde und du entscheidest dich gegen eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit des für dich etwas unsinnig erscheinenden Unterfangens einen Drachen eigens dafür zu suchen. Dunkel erinnerst du dich, dass man dir mal erzählt hat, dass Zwerge und Drachen in einem äonenalten Kampf miteinander liegen.
Schnell klart aber auch deine Stimmung vollkommen wieder auf, als ihr gemeinsam zu singen beginnt. Diesmal ist es einer der Brüder, die dir erklären, dass das Lied mehrere Hände voll Strophen umfasst und von eben der Jagd um Drachen handelt. Das erste Dutzend Strophen handelt indes von der Reise und von der Sehnsucht nach dem heimischen Stollen. Sie bringen dir ihre Lieblingsstrophe und den Refrain bei und so schmettert ihr gemeinsam das Wanderlied.
Irgendwann wird es dann Zeit aufzubrechen, die kleinen Herren bedanken sich für die nette Gesellschaft und wachsen gleich um ein ganzes Stück, als du ihre Namen so gekonnt wiederholst.
Man sichert dir zu dich in guter Erinnerung zu behalten und nach der Rückkehr in den heimischen Stollen eure Begegnung zu preisen.
So machst du dich denn gut gelaunt auf den Weg.
Kaum dass die drei Gesellen außer Sichtweite sind schwingst du dich auf deinen Stecken und hebst erneut in die Luft ab. Diese Gesellschaft von Gauklern möchtest du doch zu gerne schnell erreichen. Vor allem mit der Aussicht darauf Lisanna viel früher als erwartet wieder zu treffen.
Zu deinem Ärger beginnt es dann aber zu dämmern und von irgendwelchen Gauklern ist weit und breit nichts zu entdecken. Es war vielleicht ein wenig euphorisch zu denken du könntest einen ganzen Tag ‚überfliegen‘. So landest du denn und wanderst noch ein Stückchen weiter um nebenbei Ausschau nach einem geeigneten Lager zu halten.
Da fällt dir abermals vollkommen unvermittelt etwas ins Auge: Eine metallene Fibel, mit der man normalerweise Wandermäntel zusammenhält. Die Fibel hat die Form eines Blattes.
Fast ein bisschen eigentümlich dass du passend gelandet warst um hier nun zum zweiten Mal einen Gegenstand zu finden.
Sinnierend halte ich die silberne Fibel ins schwindende Licht: „Sieh dir das an Eikiko! So ein hübsches Blatt. Erinnert mich schon wieder an den fein geschnitzen Ring von San. Komisch. Erst die Flöte, dann die Fibel – als ob da jemand absichtlich Gegenstände fallen lässt. Meinst du, jemand will jemandem einen Weg zeigen? Und wenn ja, in welche Richtung ist er unterwegs? Schmeißt man zuerst eine Flöte oder eine Fibel weg, wenn man in Not ist?? Lass uns auf alle Fälle weiter die Augen aufhalten, ob wir noch mehr Dinge finden. Ob nun geworfen oder verloren – der Besitzer freut sich bestimmt, die Dinge wieder zu bekommen.“ Und damit stecke ich die Fibel gut sichtbar an mein Gewand. Dann lenke ich mein Hauptaugenmerk darauf, einen geeigneten Lagerplatz zu finden, bevor es zu dunkel ist. Wenn die Sicht gut ist und ich nicht allzu müde, laufe ich aber auch noch ein Stündchen weiter – je weiter ich aufschließe, desto besser.
Lagern möchte ich schließlich an einem sicht- und wettergeschützem Plätzchen etwas abseits des Weges – vielleicht in einem Gesträuch oder hinter einer Böschung: von wo aus ich bei Licht noch Sicht auf den Weg hätte und ich auch höre, wenn jemand vorbeizieht – man mich aber nicht direkt entdeckt. Auf ein Feuer verzichte ich wenn es nicht gar zu kalt ist.
Da du durch deine nachmittägliche Begegnung gut gelaunt und vor allem frisch gestärkt bist, beschließt du in der Dunkelheit weiter zu wandern. Bei deiner Abreise war Mada gerade wiedergeboren, aber jetzt steht sie mehr als Kreis denn als Sichel am Himmel und erleuchtet den Weg. Du kraulst Eikiko. Nicht mehr lang und ihr werdet im Schein der vollen Mada eine großartige Nacht erleben. Der Gedanke daran beschwingt deinen Schritt einmal mehr, so als ob du damit das Wachstum des Males beschleunigen könntest.
Irgendwann überkommt dich dann aber doch die Müdigkeit und du beschließt das es für heute genug sei mit dem wandern, schlägst dich ein Stück abseits des Weges unter einen Busch, rückst deinen Reisemantel zurecht und bist einige Herzschläge später eingeschlafen.